Herr Kofler und der Cowboy

Utah, so sagte man uns, sei wunderschön.
Utah, so sagte man uns, muss man sehen.

Gut, dachten wir uns. Schauen wir uns an.

Wir? Fünf Freunde, davon zwei Pärchen, auf drei Harley Davidsons. Zwei Wochen kreuz und quer durch die USA. Anywhere the wind blows. Warum also nicht auch Utah?

Und ja. Utah ist interessant. Landwirtschaftlich. Und in Sachen Größe. Nie zuvor und nie danach bin ich eine Stunde lang ein und dieselbe Straße geradeaus gefahren. Keine Linkskurve, keine Rechtskurve. Kakteen, sonst nix. Muss man freilich mögen. Weil sonst eher fad.

Dann diese Sache mit dem Alkohol. Nicht, dass wir bei unseren Motorradtouren gesoffen hätten. Also zumindest nicht damals, als die Frauen dabei waren. Aber ein paar Bier am Abend, nachdem einem die Sonne stundenlang auf den Schädel gebrannt hatte? War das zu viel verlangt? In Utah schon. Weil dort eben die Mormonen. Und die total am Granderwassertripp oder so ähnlich. Jedenfalls kein Alkohol.

Obwohl, wir bekamen dann in dieser atemberaubend langweiligen Stadt, in der wir zwecks Übernachtung zu bleiben verdammt waren, doch noch den diskreten Hinweis, dass es in „Mike’s Tavern“ Alkohol gebe. Aber halt eine zwielichtige Hütte. Vorstrafe quasi Eintrittsbedingung.

Zehn Minuten später standen wir beim Tresen. Fünf Bier, kalt, danke.

Die anderen Menschen in der Bar waren tatsächlich seltsam. Lichtscheues Gesindel, hätte meine Mutter gesagt, und auf den Schmutz am Bierglas hingewiesen. Aber fünf Biker eben keine feinen Pinkel und daher: Bar gerade recht. Billardtische, Jukebox, riesiger Flatscreen, circa 20 Leute.

Links neben uns stand ein Cowboy. So richtig. Hut so groß wie das Vordach einer OMV-Tankstelle, Lederchaps über den Jeans, echte Sporen an den ausgetretenen Stiefeln. Er würdigte uns keines Blickes. Trank Bier. Und schniefte. Schluck Bier. Schnief. Bier. Schnief. Schnief. Bier…

Mir war der Kerl unsympathisch. Aber mein Freund A. packte den Anthropologen aus. Vorsichtige Annäherung. Smalltalk. Der Cowboy hieß Mike. In Mike’s Tavern. Dürfte ein häufiger Name sein in Utah. Und er beklagte sich. Seit Tagen sei er dermaßen verkühlt, dass er gar keine Luft mehr bekäme. Ungut am Pferd in der Wüste beim Viehhüten. Kann man sich vorstellen.

Jetzt A.s großer Auftritt. Er hätte, ließ er Mike wissen, auch oft Probleme mit dem Luftkriegen und führe daher immer Nasenpflaster mit sich. Ob er nicht eines ausprobieren möchte? Mike mochte. A. holte das Pflaster hervor und klebte es sorgfältig auf Mikes Nase. Der atmete durch. „JESUS CHRISTUS“, schrie er, „Jesus Christus, das ist großartig. Ich kann wieder atmen.“ Früher hatten die Europäer Glasperlen mit, wenn sie den Amerikanern ihren Besuch abstatteten, diesmal waren es Nasenpflaster.

Jedenfalls: Mike und wir ab diesem Moment beste Freunde. Es wurde ein lustiger Abend. Und ein günstiger. Denn immer wenn die Kellnerin zum Telefonieren kurz die Bar verließ (und das war häufig der Fall), griff Mike über den Tresen zum Zapfhahn und füllte unsere Gläser auf. Am Ende sechs Mal Vollrausch um insgesamt 20 Dollar.

Gegen zwei Uhr morgens dann Sperrstunde. Wir wackelten ins Freie. Unser Hotel war nur wenige Gehminuten entfernt. Mikes Farm lag eineinhalb Stunden entfernt. Eineinhalb Stunden! Schon nüchtern weit. Und erst mit sieben Promille.

Aber Mike hatte keinerlei Sorge. Denn er war nicht mit dem Auto da. Er war per Pferd gekommen. Der Gaul war all die Zeit vor der Bar gestanden. „Ein Pferd“, klärte uns Mike auf“, zählt in Utah nicht als Fahrzeug.“ Daher könne  ihm die Polizei, wenn er betrunken reite, auch nicht den Führerschein wegnehmen. Und das Beste: Das Pferd kannte den Heimweg. Er selbst müsse sich nur mit den Zügeln am Sattelknauf anbinden, damit er nicht runterfiel, wenn er einschlief. Der Gaul würde alleine nach Hause finden.

Sagte er, hob die Hand zum Gruß und ritt langsam davon. Wir sahen ihm nach, wie er im Dunkel der Straße verschwand. Nach wenigen Sekunden sank Mikes Kopf nach vorne. Er war bereits weggepennt. Das Pferd ging brav am rechten Straßenrand davon. Meine besoffenen Synapsen spielen eine traurige Mundharmonika-Melodie dazu…

Utah, sage ich Ihnen, ist wunderschön.
Utah, sage ich Ihnen, muss man sehen.

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Veröffentlicht von kofi2go

Gestatten? Kofler. Herr Kofler. Vater, Ehemann, Schreiber, Zeichner. Manchmal passieren Dinge, dann wieder nicht.

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Manchmal passieren Dinge, dann wieder nicht. Das Buch: "Früher war ich jünger. 41 Geschichten aus dem Leben eines einfachen Mannes" (Tredition)

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